Bayerns Gesundheitsministerin Judith Gerlach hat die Bundesregierung aufgefordert, die ambulante ärztliche Versorgung rasch zu stabilisieren. Gerlach betonte am Montag: „Bei dem Krisengipfel am 9. Januar muss Bundesgesundheitsminister Lauterbach die Sorgen der Ärzteschaft endlich ernst nehmen und zu den notwendigen Entscheidungen bereit sein.“
Die Ministerin kritisierte: „Lauterbach stellt bislang die völlig falschen politischen Weichen und vernachlässigt die niedergelassenen Praxen. Das gefährdet die Versorgung der Patientinnen und Patienten. Die Probleme bestehen beispielsweise darin, dass der Bundesgesundheitsminister entgegen seinen Ankündigungen weder für eine angemessene Finanzierung sorgt noch Bürokratie abbaut. Aber nur wenn die Rahmenbedingungen attraktiv sind, bleibt auch eine Niederlassung als Arzt in eigener Praxis attraktiv – und nur dann wird die ambulante medizinische Versorgung durch niedergelassene Ärztinnen und Ärzte auch in Zukunft gesichert.“
Gerlach erläuterte: „Beispielsweise wurde im Koalitionsvertrag 2021 die Aufhebung der Budgetierung der hausärztlichen Honorare – das heißt die Begrenzung der Mittel für hausärztliche Leistungen – versprochen. Damit sollen Hausärztinnen und Hausärzte nicht Gefahr laufen, Behandlungen von Patientinnen und Patienten, die nicht mehr im Budget enthalten sind, möglicherweise nicht erstattet zu bekommen. Passiert ist bislang nichts. Es gibt keinen zeitnahen Inflationsausgleich in der ärztlichen Vergütung. Und statt Bürokratie ernsthaft abzubauen, werden Parallelstrukturen wie Gesundheitskioske geschaffen. Das bedeutet noch mehr Bürokratie, nicht weniger. Damit werden die ambulanten Strukturen der medizinischen Versorgung insgesamt deutlich geschwächt.“
Die Ministerin erklärte: „Ein wichtiger Schritt wäre die Vorlage des angekündigten Gesetzentwurfs zum Bürokratieabbau. In Bayern gibt es zum Bürokratieabbau schon Gespräche mit der Landesärztekammer, der Kassenärztlichen Vereinigung Bayerns, Vertretern von Ärzteverbanden und den Krankenkassen und vielen weiteren Akteuren – zum Beispiel auch aus dem zahnärztlichen Bereich. Eine weitreichende Entlastung kann aber letztlich nur durch den Bund geschaffen werden.“
Gerlach konkretisierte: „Ein schlankeres Zulassungsverfahren wäre ein Ansatzpunkt für eine Befreiung von bürokratischen Hürden. Ebenso kann ich mir eine Reduzierung von Anfragen durch Behörden oder Krankenkassen als Entlastungsmaßnahme vorstellen. Das könnte etwa dadurch erreicht werden, dass benötigte Informationen so bereitgestellt werden, dass separate Anfragen in den Arztpraxen nicht mehr notwendig sind. Digitalisierung könnte diese Prozesse zusätzlich voranbringen.“
Die Ministerin ergänzte: „Insbesondere bei der digitalen Transformation fordere ich mehr Unterstützung für die Arztpraxen. Wir erleben immer wieder, dass Digitalisierung gerade im niedergelassenen Bereich als Zusatzbelastung empfunden wird. Vor allem unausgereifte Technik kostet Nerven und viel Geld. Hier braucht es umfangreiche Tests und Unterstützung. Deshalb haben wir in Bayern zusätzlich zur Modellregion für die Telematikinfrastruktur in Franken viel Geld in die Hand genommen, um mit ‚Health Care BY Your Side‘ über reine Techniktests hinaus die Leistungserbringer, aber auch die Bürgerinnen und Bürger über die digitale Transformation praxisnah und verständlich zu informieren und zu begleiten.“
Gerlach fügte hinzu: „Ich bin davon überzeugt, dass die Digitalisierung die Versorgung wesentlich verbessern kann. Es kann aber nicht so bleiben, dass niedergelassene Ärzte und deren Praxisteams die Hauptlast bei der digitalen Transformation tragen – ohne Gegenleistung. Transformation kostet Geld! Deshalb bin ich davon überzeugt, dass wir ein Praxiszukunftsgesetz brauchen.“
Gerlach unterstrich: „Die Forderung der Ärzteschaft nach einem Krisengipfel zur Sicherstellung der ambulanten Versorgung war richtig. Aber ich befürchte, dass Lauterbach nicht zu wirklichen Verbesserungen bereit ist.“
Die Ministerin forderte: „Wir brauchen Rahmenbedingungen, die die Tätigkeit in einer Arztpraxis für die nachrückenden Generationen attraktiv machen. Dazu gehört einerseits als Grundvoraussetzung genügend Zeit zur Behandlung der Patientinnen und Patienten sowie eine auskömmliche Vergütung. Deshalb muss das Versprechen der Entbudgetierung hausärztlicher Leistungen bald umgesetzt werden. Genauso wichtig ist aber auch, dass zum Beispiel moderne Teamstrukturen und Flexibilität ermöglicht werden. Arztpraxen sollten hier gestärkt werden, etwa durch Aufwertung delegierter Leistungen.“
Gerlach ergänzte: „Konkurrenz in dieser Hinsicht haben die Arztpraxen vor allem durch Medizinische Versorgungszentren. Deren Regulierung wurde ebenfalls angekündigt, aber bisher nicht umgesetzt. Die Länder haben ihre Vorschläge längst vorgelegt – der Bund muss nun endlich handeln.“