Bayerns Gesundheitsministerin Judith Gerlach hat die Bundesregierung aufgefordert, die wohnortnahe Arzneimittelversorgung durch öffentliche Vor-Ort-Apotheken zu stärken. Gerlach betonte am Donnerstag anlässlich eines Apotheken-Besuchs in Sonthofen: „Die Zahl der öffentlichen Vor-Ort-Apotheken im Freistaat nimmt stetig ab. Seit 2009 wurden mehr als 600 Apotheken in Bayern für immer geschlossen. Aber die Menschen müssen darauf vertrauen können, dass sie auch in Zukunft wohnortnah mit allen Arzneimitteln versorgt werden – und das flächendeckend auch auf dem Land.“
Die Ministerin unterstrich: „Deshalb arbeiten wir intensiv mit den Apothekerinnen und Apothekern zusammen. So finanziert das bayerische Gesundheitsministerium aktuell mit 700.000 Euro eine Studie, mit der innovative Ansätze für die künftige Gestaltung und Sicherstellung der Arzneimittelversorgung durch öffentliche Vor-Ort-Apotheken erarbeitet werden sollen.“
Gerlach informierte sich bei einem Besuch in der Familienapotheke der Vizepräsidentin der Bayerischen Landesapothekerkammer, Franziska Scharpf, über das weite Leistungsspektrum und die vielschichtigen Arbeitsabläufe einer Apotheke. Die Ministerin sprach mit Apothekerin Scharpf zudem über die Positionen der Landesapothekerkammer zu den Plänen der Bundesregierung für die Apothekenreform.
Die Ministerin betonte: „Mit einer Vor-Ort-Apotheke den gesetzlichen Versorgungsauftrag zu erfüllen, muss für die Apothekerinnen und Apotheker wieder wirtschaftlich auskömmlich sein. Sonst können wir auch das Nachwuchsproblem nicht lösen. Gemeinsam mit der Bayerischen Landesapothekerkammer und dem Bayerischen Apothekerverband e.V. setzen wir uns mit einer Kampagne aktiv dafür ein, pharmazeutisches Personal für die öffentlichen Apotheken zu gewinnen.“
Gerlach fügte hinzu: „Die Apothekerinnen und Apotheker stehen durch die Inflation, die gestiegenen Personal- und Energiekosten und die unzureichende Honorierung unter immensem finanziellen Druck. Die öffentlichen Apotheken brauchen ein ausreichendes betriebswirtschaftliches Fundament, um eine hochwertige Versorgung zu gewährleisten. Dafür braucht es neue Finanzierungskonzepte.“
Gerlach kritisierte: „Die geplante Apothekenreform des Bundesgesundheitsministers gefährdet allerdings die Versorgung vor Ort, wenn nicht endlich umgesteuert wird. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach muss alles dafür tun, die wirtschaftliche Unabhängigkeit und Leistungsfähigkeit der Apotheken zu bewahren. Die Preisgestaltung muss neu geregelt werden. Vorhandene Mittel nur umzuverteilen, kann nicht die Lösung sein! Ich fordere eine angemessene Erhöhung der seit Jahren unveränderten Apothekenzuschläge bei der Abgabe verschreibungspflichtiger Arzneimittel in den öffentlichen Apotheken.“
Die Ministerin ergänzte: „Ich sehe auch in den Plänen von Lauterbach für sogenannte Video-Apotheken ohne Apothekerinnen oder Apotheker vor Ort und damit zwangsweise eingeschränktem Arzneimittel- und Dienstleistungsangebot eine Gefahr für die Versorgung. Die Qualität der Beratung und die Arzneimittelsicherheit können Video-Apotheken sicher nicht in dem Maße gewährleisten, wie es die Apothekerinnen und Apotheker vor Ort tun. Digitalisierung soll unser Leben besser machen und nicht Qualitätseinbußen in der Versorgung provozieren.“
Gerlach unterstrich: „Die geplante Apothekenreform geht an den Bedürfnissen sowohl der Bürgerinnen und Bürger als auch der Apotheken vorbei – auch weil nicht ernsthaft mit den Beteiligten gesprochen wird. Lauterbach sollte das Vorhaben zunächst auszusetzen und auf Bundesebene in einem überparteilichen Gremium – auch mit Bürgerinnen und Bürgern und Apothekerinnen und Apothekern – die künftige Versorgung diskutieren. Es geht hier schließlich um eine grundlegende Weichenstellung für die Apothekenversorgung der Zukunft.“