Bayerns Gesundheitsministerin Judith Gerlach hat die Bundesregierung anlässlich des Deutschen Apothekertags am 9. Oktober zu dauerhaften Maßnahmen gegen Lieferengpässe bei Arzneimitteln aufgerufen. Gerlach betonte am Dienstag: „Lieferengpässe, notwendige Ersatzbeschaffungen und verunsicherte Patientinnen und Patienten – das ist weiterhin die Realität im Apothekenalltag. Anderslautende Beschwichtigungen von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach sind nichts als Schönfärberei. Laut Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte wurden Anfang Oktober knapp 500 Arzneimittel-Lieferengpässe gemeldet (Stand 7.10.2024), darunter auch weiterhin antibiotikahaltige Arzneimittel für Kinder und Mittel zur Behandlung von bestimmten Krebserkrankungen.“
Gerlach sagte: „Das bayerische Gesundheitsministerium nimmt dies sehr ernst. Wir warten daher nicht auf den vorrangig zuständigen Bund. Stattdessen haben wir Anfang Oktober eine weitere Sitzung unserer Task-Force Arzneimittelversorgung einberufen, um uns ein besseres Bild von der Lage vor Ort zu machen und Handlungsoptionen für die Wintersaison 2024/25 auszuloten. Die Abstimmungen laufen noch. In der Vergangenheit konnten wir mit der Pharma-Task-Force kurzfristig Maßnahmen entwickeln, um die Apotheken zu unterstützen und Versorgungsengpässe zu überbrücken. Allerdings kann auch die Task-Force keine Wunder vollbringen: Die Zuständigkeiten bei der Arzneimittelversorgung liegen weitgehend bei Bund und EU.“
Die Ministerin erläuterte: „Die Task-Force Arzneimittelversorgung wurde bereits 2022 gegründet und hat sich zum Ziel gesetzt, Handlungsfelder und mögliche Maßnahmen zu identifizieren, mit denen kurz- bzw. mittelfristig Liefer- und Versorgungsengpässen entgegengewirkt und der Arzneimittelstandort Deutschland gestärkt werden kann. Es ist wichtig, die fachliche Expertise zu bündeln, deshalb sind die Teilnehmer Vertreter der Ärzte- und Apothekerschaft, der Kassenärztlichen Vereinigung Bayerns, der pharmazeutischen Industrie, der pharmazeutischen Großhändler und der gesetzlichen Krankenkassen.“
Gerlach ergänzte: „Ich würde mir auch auf Bundesebene wünschen, dass Lauterbach mehr gemeinsame Lösungen mit den Akteuren sucht, anstatt eine Apothekenreform mit der Brechstange durchzusetzen, wie er es aktuell versucht. Wir brauchen in Bayern, aber auch in ganz Deutschland, weiterhin eine flächendeckende wohnortnahe Rund-um-die-Uhr-Versorgung mit Arzneimitteln. Und wir brauchen weiterhin eine hochqualitative persönliche Arzneimittelberatung durch die Apothekerinnen und Apotheker. Das sehe ich aber durch die bisherigen Reformpläne von Lauterbach leider gefährdet.“
Die Ministerin führte aus: „Für Bayern hat die Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln höchste Priorität. Deshalb hat der Freistaat bereits seit langem im Rahmen seiner Zuständigkeit pragmatische Maßnahmen getroffen, um die dringendsten Fälle von Versorgungsengpässen unbürokratisch zu lösen. Ein Beispiel ist der Erlass wichtiger Allgemeinverfügungen, die den Import von in Deutschland knappen Arzneimitteln ermöglichen. So hat Bayern seit Mai 2023 dem Großhandel und Apotheken mittels Allgemeinverfügung befristet gestattet, Antibiotikasäfte für Kinder aus Ländern zu importieren, in denen diese rechtmäßig in den Verkehr gebracht werden dürfen.“
Gerlach ergänzte: „Wir haben die gesetzlichen Krankenkassen zudem gebeten, in Bayern keine Retaxierungen (Verweigerung der Erstattungen) einzuleiten bei Arzneimitteln, die in Apotheken hergestellt wurden, da Fertigarzneimittel nicht lieferbar waren. Die Krankenkassen sind dieser Aufforderung gefolgt. Nunmehr hat auch der Bundesgesetzgeber hier teilweise nachgesteuert.“
Gerlach sagte: „Oberstes Ziel ist, dass es gar nicht erst zu Lieferengpässen kommt. Bayern fordert daher vom Bund schon lange eine Strategie, mit der Lieferengpässen auch mittel- und langfristig begegnet werden kann. Denn die Gesetzgebungskompetenzen im Arzneimittelrecht liegen beim Bund und der EU. Erst im Juli hat die Bayerische Staatsregierung im Rahmen des Bayerischen Pharmagipfels an den Bund appelliert, die bestehenden Preisregulierungsmaßnahmen zu überprüfen und das Rabattvertragssystem weiterzuentwickeln, um die Versorgungssicherheit mit Arzneimitteln zu stärken.“
Die Ministerin fügte hinzu: „Bayern hat außerdem gemeinsam mit Baden-Württemberg eine Bundesratsinitiative zur Verbesserung der Arzneimittelversorgung erarbeitet, die Ende April 2024 mehrheitlich angenommen wurde. Mit der Bundesratsinitiative will Bayern unter anderem erleichterte Importregelungen und die Entwicklung einer nationalen Bevorratungsstrategie erreichen. Zudem sollen durch eine entsprechende Anpassung der Rabattvertragsregelungen mehr Anreize für pharmazeutische Unternehmen geschaffen werden, die Herstellung von Arzneimitteln zurück nach Europa zu holen. Darüber hinaus möchten wir den Bund dazu bringen, die Austauschmöglichkeiten nicht vorrätiger Arzneimittel noch weiter zu flexibilisieren. Denn auch hier liegt die Gesetzgebungskompetenz beim Bund. Der Bund zeigt sich allerdings wenig aufgeschlossen für die von uns vorgeschlagenen Maßnahmen oder sieht gar keinen Handlungsbedarf.“