Sucht- und Abhängigkeitserkrankungen
Suchtmittel und süchtiges Verhalten gibt es in jeder Gesellschaft; nicht selten verbunden mit zerstörerischen Folgen. Davor gilt es den Einzelnen und die Gemeinschaft zu schützen. Bayern setzt auf den bewährten Dreiklang von wirksamer Vorbeugung, konsequenter Repression im Bereich der illegalen Suchtmittel und – soweit geboten – Einschränkung der Verfügbarkeit legaler Suchtmittel sowie auf wirksame Hilfen für Betroffene.
Über Sucht- und Abhängigkeitserkrankungen
Sucht hat viele Formen, viele Ursachen und betrifft viele Menschen. Unter den Begriffen Sucht- beziehungsweise Abhängigkeitserkrankungen wird die Gesamtheit von riskanten, missbräuchlichen und abhängigen Verhaltensweisen in Bezug auf Suchtmittel (zum Beispiel Alkohol, Tabak, Medikamenten oder illegalen Drogen) sowie nichtstoffgebundene Verhaltensweisen (wie Glücksspiel und krankhafter Internetgebrauch) verstanden.
Sucht ist ein in allen Gesellschaften und zu allen Zeiten auftretendes Phänomen. Oft ist sie verbunden mit zerstörerischen Folgen für die Gesundheit des Einzelnen aber auch mit Folgen für die Gesellschaft. Neben dem persönlichen Leid für die Erkrankten entstehen hohe Kosten für die Gemeinschaft. So werden die volkswirtschaftlichen Kosten durch Alkoholkonsum in Deutschland auf rund 39 Milliarden Euro pro Jahr und für Tabakkonsum auf 97 Milliarden Euro pro Jahr geschätzt.
Bayern setzt auf wirksame Vorbeugung, flächendeckende und bedarfsgerechte Beratungs- und Hilfemöglichkeiten für Betroffenen und deren Angehörige. Außerdem soll durch gezielte Projekte geklärt werden, wie Maßnahmen zielgruppenspezifisch weiterentwickelt werden können. Daneben ist eine konsequente Rechtsanwendung selbstverständlich.
Neufassung der Grundsätze der Bayerischen Staatsregierung zu Sucht und Drogen
Bayern hat ein umfassendes Update im Umgang mit Sucht und Drogen bekommen. Dieser Schritt war angesichts neuer gesellschaftlicher und politischer Entwicklungen, wie die Teillegalisierung von Cannabis sowie neue Trends und Konsumgewohnheiten bzw. -formen, die zunehmende Bedeutung internetbezogener Störungen, hochwirksame synthetische Opioide und ein sich stetig verändernder Schwarzmarkt mit immer neuen Drogenmischungen, zwingend erforderlich.
Seit der letzten Veröffentlichung der Grundsätze im Jahr 2007 unterlagen insbesondere auch die Strukturen und Angebote im Bereich der Suchtprävention und Suchthilfe einem stetigen Wandel – Bewährtes wurde fortgeführt und Neues auf den Weg gebracht. Passend dazu wurde die klare Schwerpunktsetzung im Bereich Suchtprävention beibehalten und zugleich umfassend weiterentwickelt sowie erstmals die Schadensreduzierung als neues Handlungsfeld in den Blick genommen. Denn für viele Konsumierende ist Abstinenz, wenn überhaupt, nur langfristig erreichbar. Durch schadensreduzierende Maßnahmen, wie zum Beispiel die flächendeckende Versorgung opioidabhängiger Menschen mit Naloxon, können Todesfälle verhindert und gesundheitliche Schäden verringert werden. Zudem wird in den neuen Grundsätzen erstmals ein umfassender Blick auf die Lebensphasen und ihre wichtigsten Lebenswelten geworfen – denn diese gehen mit spezifischen Herausforderungen einher und bieten die Chance für passgenaues Handeln. Dabei stehen nicht einzelne Suchtmittel oder Institutionen beziehungsweise Versorgungsstrukturen, sondern der Mensch im Mittelpunkt, um für gesundes Auf- beziehungsweise Heranwachsen sowie Altern zu sensibilisieren und so einen nachhaltigen Beitrag zu einem selbstbestimmten sowie suchtfreien Leben der Bevölkerung zu leisten.

Grundsätze der Bayerischen Staatsregierung zu Sucht und Drogen
Fachlicher Begleitband den Grundsätzen der Bayerischen Staatsregierung zu Sucht und Drogen
Barrierearme Versionen der PDF-Dateien folgen in Kürze.
Digitales Suchtberatungsangebot „DigiSucht“
Bei DigiSucht handelt es sich um ein umfassendes niedrigschwelliges digitales Hilfsangebot für suchtgefährdete und suchtkranke Menschen und deren Angehörige. Unabhängig von der Art des Suchtproblems kann die Plattform zu Beratungszwecken genutzt werden. Auch hybride Beratungskonzepte aus digitaler und analoger Beratung vor Ort (sogenanntes Blended Counseling) sind möglich. Im geschützten und anonymen Bereich der Plattform besteht die Möglichkeit, sich allgemein zum Thema Sucht zu informieren und anonyme Selbsttests zum eigenen Konsumverhalten vorzunehmen.
Herzstück der Plattform sind die verschiedenen digitalen Kommunikationswege. Per E-Mail oder in Text- und Video-Chats können Betroffene sowie Angehörige mit professionellen Suchtberaterinnen und -beratern der Psychosozialen Suchtberatungsstellen (PSBen) in Kontakt treten. Neben der Übermittlung von Nachrichten können auch Termine für einen direkten Austausch per Text- oder Video-Chat gebucht werden.
Das Internet bietet in seiner Anonymität einen besonders niedrigschwelligen Zugang zu Hilfen. Zusammen mit dem Bundesministerium für Gesundheit besteht mit DigiSucht nun ein professionelles und in 14 Bundesländern verfügbares Online-Suchtberatungsangebot.

Naloxon-Modellprojekt für Opioidabhängige
Der Abschlussbericht des im Oktober 2018 gestarteten Modellprojekts „BayTHN – Take-Home-Naloxon“ konnte aufzeigen, dass das Nasenspray Naloxon im Notfall Leben retten kann: Bei richtiger Anwendung hat es schnell gewirkt und konnte die Wirkung von Opioiden vorübergehend ganz aufheben. Das Naloxon-Projekt ist deshalb ein wichtiger Baustein im Kampf gegen den Drogentod. In 176 Notfallschulungen haben insgesamt 537 Menschen den richtigen Umgang mit dem Nasenspray Naloxon gelernt. Im Laufe der Projektzeit sind insgesamt 92 Drogennotfälle dokumentiert worden, bei denen das lebensrettende Medikament Naloxon von Schulungsteilnehmern erfolgreich eingesetzt werden konnte. Vor dem Projekt wurde Naloxon nur von Ärztinnen und Ärzten verabreicht. Schätzungen zufolge sind aber bei einer Überdosierung in zwei von drei Fällen andere Menschen anwesend, die helfen könnten. Durch das Notfallkit und die Notfallschulungen waren die Teilnehmer für den Ernstfall gewappnet. Das Bayerische Gesundheitsministerium förderte das Projekt mit rund 300.000 Euro.
Das bayerische Naloxon-Projekt wurde federführend von der Universität Regensburg in Kooperation mit der Ludwig-Maximilians-Universität München und der Universität Bamberg umgesetzt. Beteiligt waren zudem verschiedene Einrichtungen der bayerischen Suchthilfe an den fünf Standorten Regensburg, München, Nürnberg, Ingolstadt und Augsburg.
Der Bund hat aufgrund des erfolgreichen bayerischen Projektes Mittel zugesagt, um bundesweit die Anwendung und den geschulten Umgang mit dem lebensrettenden Nasenspray Naloxon zu fördern. Ziel der Anstrengungen ist es, die jährliche Zahl der an Drogen verstorbenen Menschen zu reduzieren.
Abschlussbericht des Modellprojekts „BayTHN – Take-Home-Naloxon“